Konzeptbaustein Nr. 11 - Dezember 2024

Lerntagebücher zur Erhebung und Reflexion von fachbezogenen Präkonzepten Studierender

Dr. des. Jenny Vorpahl

Lehrende an der Universität Potsdam

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Mit der Integration von Lerntagebüchern in den Prozess Forschenden Lernens im Rahmen eines interdisziplinären Projektkurses für Lehramtsstudierende im Fach Lebensgestaltung–Ethik–Religion (LER) setzt Jenny Vorpahl im Team-Teaching ein formatives Assessment um, welches auf die Entwicklung überfachlicher kognitiver, sozialer und affektiver Fähigkeiten der Studierenden fokussiert. Entlang verschiedener Reflexionsschwerpunkte hinsichtlich religionsbezogener Vorstellungen werden die Studierenden beim Führen eines persönlichen Lerntagebuches zu einem strukturierten Lernprozess im Sinne der Conceptual-Change-Theorie [1] aktiviert und darin angeleitet, sich ihrer eigenen Präkonzepte zu religionswissenschaftlichen Fragestellungen bewusst zu werden und sich damit mit Blick auf die Unterrichtspraxis im Fach LER kritisch auseinanderzusetzen.

Kurzüberblick zum Konzeptbaustein

Kurzbeschreibung des Lehrkonzeptes

Das Lerntagebuch wird innerhalb einer projektförmigen Lehrveranstaltung als Instrument für das Forschende Lernen der Studierenden eingesetzt. Dabei stellt es eine spezifische Methode zur Erhebung, Reflexion und Veränderung fachbezogener Präkonzepte der Studierenden dar, um das zentrale Lernziel – die Fähigkeit zur sachgerechten, wissenschaftsbasierten und selbstreflexiv-relationalen Erarbeitung und Aufbereitung innovativer Unterrichtsthemen für das Schulfach LER – zu erreichen.

Angeleitet durch eine Handreichung und konkrete Reflexionsaufgaben verfassen die Studierenden über den gesamten Verlauf der Lehrveranstaltung insgesamt fünf Einträge in ihr persönliches Lerntagebuch, wobei die Lehrenden jeweils prozessbegleitend zu jedem Eintrag individuelles Feedback geben.

Während dieses schrittweise angeleiteten Reflexionsprozesses arbeiten die Studierenden in Kleingruppen an einem eigenen Forschungsprojekt und können anhand der Tagebucheinträge und Feedbacks sowohl ihren eigenen Lernprozess bei der Projektarbeit analysieren als auch Konzeptveränderungen bei sich selbst bezogen auf den Themenschwerpunkt ihres Forschungsprojektes wahrnehmen und diese zu religionswissenschaftlichen sowie religionsdidaktischen Fragestellungen ins Verhältnis setzen.

Auf der konzeptionellen Grundlage des Conceptual-Change-Ansatzes durchlaufen die Studierenden mittels der Lerntagebucheinträge ein formatives Assessmentverfahren, bei welchem ihre je individuellen Erfahrungshintergründe zum Forschungsthema ebenso wie ihre Selbstreflexionen zum eigenen Lernprozess für die Leistungsbewertung fokussiert werden.

Somit fördert die Methode des Lerntagebuches die ganzheitliche Professionalisierung der angehenden LER-Lehrkräfte, indem sie eine Kompetenzentwicklung der Studierenden im Modus Forschenden Lernens auf der persönlichkeitsbildenden, fachwissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Ebene ermöglicht. [2]

Entstehungskontext und didaktischer Ausgangspunkt des Lehrkonzeptes

Das vorliegende Format des Lerntagebuches entwickelte Jenny Vorpahl mit einem interdisziplinärem Lehrteam für einen Projektkurs, welchen Studierende im 6. Fachsemester des Bachelorstudiums für das Lehramt im Schulfach Lebensgestaltung–Ethik–Religion (LER) belegen.

An Studierende wird hier die Lernanforderung gestellt, in Kleingruppen einen gesamten Forschungszyklus zu durchlaufen und die Lernerfahrungen aus diesem Prozess – von der Entwicklung einer bearbeitbaren Fragestellung bis zur Präsentation der Ergebnisse – zu reflektieren, um später als Lehrkraft selbst kooperative Projektarbeit lernendenorientiert umzusetzen.

Die didaktische Herausforderung besteht für das Lehrteam darin, die individuellen Lernprozesse der durchschnittlich 50 Studierenden, welche sehr unterschiedliches Vorwissen aus den fünf Bezugsdisziplinen des Faches LER (Philosophie, Religionswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Fachdidaktik) in die Lehrveranstaltung mitbringen, zu begleiten und zu fördern.

In besonderer Weise geht das Lehrkonzept auf das fachspezifische Phänomen ein, dass Studierende – teils religiös, teils nichtreligiös sozialisiert und biografisch geprägt – eine Beschäftigung mit dem komplexen Fachgebiet vermeiden wollen. Jene Unsicherheiten gegenüber religionsbezogenen Themen, verkürzte Assoziationen oder auch Stereotypisierungen und Vorurteile bergen die Gefahr, dass Lehrkräfte diese später im Unterricht reproduzieren und Unterrichtsplanungen erfolgen, die fachlich nicht adäquat sind und die Lernziele im Fach LER verfehlen.

Dieses Praxisproblem wird mit der Lerntagebuch-Methode aufgegriffen, indem die Studierenden durch das Führen eines persönlichen Lerntagebuches zu einer strukturierten Selbstreflexion über

  • fachspezifische Themen, hier: Kontexte, Dynamiken und Pluralitäten religiöser Traditionen,
  • berufsorientierte Konzepte und Ansätze zur Wissenstransformation im Fach LER,
  • die Entwicklung eigener Lebensweltvorstellungen und religionsbezogener Einstellungen,
  • Anknüpfungspunkte für relevante Fragen und Sinnbezüge von Schüler*innen im LER-Unterricht

angeleitet werden.

Anwendungsimpulse für die eigene Lehrpraxis
  • Welche Lehrveranstaltungen in Ihrem Fachgebiet bieten sich für eine Ausgestaltung im Sinne Forschenden Lernens mit begleitender Reflexionsarbeit an, welche mittels eines Forschungs- oder Lerntagebuch begleitet werden kann?
  • Welche Basiskonzepte gibt es in Ihrem Fachgebiet und inwieweit gibt es bereits eine Auseinandersetzung mit Conceptual-Change-Modellen in ihrem Fach oder verwandten Fachgebieten, die übertragen werden könnten?
  • Bei welchen Themen und Fragestellungen Ihres Lehrgebietes haben die persönlichen Präkonzepte, Erfahrungen und Sinnbezüge der Studierenden einen Einfluss, welcher reflexiv zu bearbeiten ist?

[1] Vgl. Krüger, D. (2007): Die Conceptual Change-Theorie. In: Krüger, D. / Vogt, H. (Hg.): Theorien in der biologiedidaktischen Forschung. Ein Handbuch für Lehramtsstudenten und Doktoranden. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 81-92. https://doi.org/10.1007/978-3-540-68166-3

[2] Vgl. Gropengießer, H./ Marohn, A. (2018): Schülervorstellungen und Conceptual Change. In: Krüger, D./Parchmann, I./Schecker, H. (Hg.): Theorien in der naturwissenschaftsdidaktischen Forschung. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 49-67. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56320-5_4

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