Blog-Beitrag Nr. 3 – Dezember 2018

FAQ – Heterogenitätsorientierung als Leitidee

Die folgenden FAQ sind oft gestellte Fragen, die uns in der hochschuldidaktischen Arbeit im Netzwerk Studienqualität Brandenburg (sqb) begegnet sind [1]. Mit diesem Beitrag werden Antworten darauf formuliert und dabei das didaktische Konzept des Webportals sqb-hetkom.de – Das Portal für heterogenitätsorientierte Lehrkompetenz – umrissen. Die damit angebotene Perspektive auf das Thema Heterogenität in Lehre und Studium soll dazu anregen, weitere Fragen aufzuwerfen und neue Diskussionsbeiträge in diesem Blog einzubringen.

Liebe Leser*innen, bereichern Sie die folgenden FAQ auch mit Ihren Antworten und Sichtweisen. Nutzen Sie dafür das Kommentarfeld direkt unter diesem Beitrag oder schreiben Sie einen eigenen Blog-Beitrag.

 

FAQ – Heterogenitätsorientierung als Leitidee für die Entwicklung der Lehrpraxis in der Hochschule

Vorwort

Heterogenität bedeutet Unterschiedlichkeit und Vielfalt, wobei Verschiedenheiten immer auch Gemeinsamkeiten einschließen. Somit ist Heterogenitätsorientierung der gleichzeitige Blick auf Differenz und Einheit. Mit einer solchen ganzheitlichen Betrachtung ist unser Heterogenitätsbegriff anschlussfähig an das Konzept von Diversität und als konstitutiv für soziale Kontexte aufzufassen [2].

Heterogenität ist also kein singuläres Phänomen oder auf Homogenisierungsbestrebungen zu reduzieren, denn Heterogenität wird konstruiert im Spannungsfeld gesellschaftlicher Praktiken von Differenzierung, Individualität und Universalität [3]. Somit lässt sich das Thema Heterogenität nicht auf Einzel- oder Sonderfälle reduzieren, betrifft es letztlich alle Menschen in Kontexten sozialen Handelns, so auch in Hochschule.

 

[1] vgl. Jankow/Baldauf-Bergmann 2019

[2] vgl. Linde/Auferkorte-Michaelis 2018a, S. 305

[3] vgl. Budde 2015, S. 21; auch Budde 2012

FAQ

Wieso ist Heterogenität ein Thema in der Hochschule?

Heterogenität ist ein Thema, weil die Hochschule als gesellschaftliches Teilsystem von Diversität geprägt ist.

Heterogenität ist an sich nicht neu im Bildungssystem, aber spätestens seit PISA wird das Thema über Schule hinaus breit diskutiert und ein „produktiver Umgang des Bildungswesens mit Heterogenität“ [1] gefordert. Schließlich existiert an Hochschulen eine Vielfalt von Studienfächern; unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven und Interdisziplinaritäten sind elementare Bestandteile von Forschung und Lehre. Die Studierenden – ebenso wie die Lehrenden – bringen seit jeher ihre eigenen Individualitäten, ihre unterschiedlichen Biographien und persönlichen Interessen mit in den Seminarraum [2].

Zudem unterliegt die Hochschule als gesellschaftliches Teilsystem immer auch gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozessen, die dazu führen, dass die Vielfalt an Hochschulen noch stärker zunimmt. Als Beispiele für Diversifizierungen seien die Durchlässigkeit der Bildungswege und die damit einhergehende Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte, die internationale Mobilität, aber auch Migrations- und Fluchtbewegungen zahlreicher Akademiker*innen und Studierender genannt.

All dies stellt Hochschulen vor die Aufgabe, der sich immer stärker diversifizierenden Studierendenschaft und pluralisierenden Lehr-Lern-Situationen im individuellen und institutionellen Umgang angemessen zu begegnen [3]. Hier gilt es, inklusive Perspektiven der Akteure in Lehre und Studium zu stärken und eine reflexive Lehr-Lern-Praxis zu etablieren, wobei Differenz akzeptiert wird und didaktische Umgangsweisen flexibilisiert werden [4].

 

 

Abb. 1: Perspektiven auf den Umgang mit wachsender Heterogenität in Lehre und Studium (eigene Darstellung, sqb)

Die inklusive Perspektive in der Lehre einzunehmen, bedeutet keineswegs nur die einseitige Anpassungsleistung von Studierenden einzufordern. Als Individuen, als Zugehörige bestimmter sozialer Gruppen, aber auch als Gesamtheit sind Studierende mit ihrer Unterschiedlichkeit nicht nur wahrzunehmen und angemessen zu unterstützen, sondern mit ihrem Potential für gemeinsame Lehr- und Lernprozesse anzuerkennen [5].

Dies setzt zum einen voraus, dass in der Lehre chancengerechte Zugänge zu relevanten Bildungsinhalten und zu kompetenzorientierten Lernerfolgskontrollen gewährleistet werden, sodass das Studium mit verschiedenen Lernvoraussetzungen und Lernwegen erfolgreich bestritten werden kann [6]. Überdies ist in Lehr-Lern-Situationen ein reflektierter Umgang mit einer Vielfalt von Werten, Einstellungen und Überzeugungen erforderlich. Dabei ist das bloße Wissen über diversifizierende oder nivellierende Mechanismen gesellschaftlicher Institutionen – wie bspw. Familie, Schule oder Wissenschaft – nicht hinreichend. Erst aus einer (selbst-)kritischen Auseinandersetzung mit vorherrschenden Einheitsvorstellungen, Normierungen, Machtkonstellationen kann ein inklusiver Umgang mit ebendieser Heterogenität erwachsen [7].

[1] Wenning 2004, S. 565

[2] vgl. Hahm 2015, S. 7

[3] vgl. Linde/Auferkorte-Michaelis 2018b, S. 21

[4] vgl. siehe [1]; Reis 2018

[5] siehe [3], S. 22f.

[6] vgl. u.a. Wild/Esdar 2014

[7] siehe [4], S. 336f.

Was heißt hier ‚Heterogenitätsorientierung in der Lehre‘ genau?

Heterogenitätsorientierung ist eine handlungsleitende Basis aus diversitätssensiblen Einstellungen sowie Wissen und Können, mit welcher eine kompetenzorientierte, studierendenzentrierte und diversitätsgerechte Lehre gestaltet und entwickelt werden kann.

Wird die mit Bologna aufgerufene Kompetenzorientierung und der damit verbundene „Shift from Teaching to Learning“ [1] ernst genommen, richtet sich Kompetenzorientierung immer auf das lernende Individuum oder vielmehr auf die individuellen Lernprozesse der Studierenden. Die lernenden Individuen in ihrer Unterschiedlichkeit in der Lehre wahrzunehmen und relevante Aspekte davon produktiv in der Lehre zu nutzen, bezeichnen wir als Heterogenitätsorientierung. Eine solche handlungsleitende Orientierung basiert auf einer offenen und zugleich kritisch-reflexiven Haltung aller Beteiligten gegenüber bestehender Diversität im Hochschulkontext.

Heterogenitätsorientierung in der Lehre verstehen wir nicht als Kompensationsstrategie, um homogene Lernverhältnisse der Studierenden zu konstruieren, sondern als Potentialansatz für die Lehrgestaltung und Lehrentwicklung. Demnach wird Heterogenität zum Lehr- und Lerngegenstand erklärt. Damit verbinden sich Lernchancen für Studierende ebenso wie für Lehrende, die je individuelle Handlungsfähigkeit zu erweitern – Studierende beispielsweise hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsentwicklung und beruflichen Kompetenzentwicklung; Lehrende beispielsweise hinsichtlich ihrer Professionalität im Lehralltag und der Qualitätsentwicklung ihrer Lehre. In diesem Verständnis verbindet sich mit Heterogenitätsorientierung eine Sicht auf Lernen resp. Kompetenzentwicklung, welche handlungsorientiert und subjektbezogen ist, d. h. die Situiertheit aller am Lehr- und Lernprozess Beteiligten in Rechnung stellt [2].

 

Eine heterogenitätsorientierte Perspektive umfasst zwar in erster Linie eine Fokussierung der Studierenden, nimmt aber auch die vielfältigen Fachgegenstände und die Unterschiede von Lehrenden, z.B. innerhalb eines Moduls oder eines Studienganges, in den Blick [3]. Insbesondere ist eine heterogenitätsorientierte Lehre fachspezifisch zu entwickeln, da zwischen verschiedenen Fachkontexten deutliche Unterschiede hinsichtlich Lehrangebot, Haltung der Lehrenden zur didaktischen Weiterentwicklung und Erwartungshaltung der Studierenden bestehen [4]. Eine breite Auseinandersetzung mit Heterogenitätsaspekten aus fachspezifischer Sicht gibt es im Hochschulbereich allerdings bisher nur vereinzelt. Dass die Entwicklung heterogenitätsorientierter Lehrkonzepte entlang der kulturellen Besonderheiten und fachdisziplinären Erfordernissen in den verschiedenen Fachkontexten voranzubringen und praxisnah zu unterstützen ist, bleibt unbestritten [5].

 

[1] vgl. u.a. Wildt 2002

[2] vgl. Spelsberg 2013, S. 37 und 42

[3] vgl. Hauser/Waldhoff 2017

[4] vgl. Huber 2011, S. 115f.

[5] vgl. Kerres, M. u. a. 2012, S. 288

Welche didaktischen Aufgaben in der Lehrpraxis stecken hinter dieser ‚Heterogenitätsorientierung‘?

Die Hauptaufgabe besteht darin, den Inklusionsgrad in der Lehrpraxis zu steigern. Das bedeutet, die vorhandene Heterogenität mit allen einzubringenden Perspektiven und Ressourcen bei der didaktischen Gestaltung und Entwicklung akademischer Lehre aufzugreifen und vielfältig zu verarbeiten. 

Heterogenitätsorientierung in der Lehrpraxis umzusetzen, verlangt eine Individualisierung und Differenzierung bei der Auswahl von Inhalten und Methoden, aber auch bei der Ausgestaltung von Prüfungen und Evaluationen. Diese Aufgabe umfasst einen Komplex aus miteinander verwobenen didaktischen Fragen und Problemen, die in der Lehrpraxis zu lösen sind. Ansätze für eine heterogenitätsorientierte akademische Lehr- und Lernpraxis bieten verschiedene didaktische Modelle, wie z. B. Constructive Alignment, Problem-Based Learning, Forschendes Lernen. Verstärkt zu berücksichtigen ist jedoch bei allen Ansätzen die Reflexion sowie Aus- und Mitgestaltung sozialer Prozesse im Lehr-Lern-Geschehen [1]. Das schließt ein, „dass sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden sich als Akteure verstehen, die gemeinsam den Lernprozess gestalten und verantworten“ [2]. Die didaktische Aufgabe dabei ist, das Prinzip der geteilten Verantwortung als eine professionelle Haltung, die beiderseitig das Lehren und Lernen bestimmt, zu entwickeln und in praktisches Tun zu überführen.

Dies auf der didaktisch-praktischen Ebene umzusetzen, erfordert insbesondere

  • Transparenz über die Voraussetzungen, welche die Studierenden mitbringen ebenso von welchen die Lehrenden ausgehen,
  • Regelmäßige Evaluation und Rückmeldung an die Studierenden, einschließlich Angeboten zur Klärung und Strukturierung des studentischen Lernprozesses,
  • Differenzierungen innerhalb von Lern- und Prüfungsaufgaben und Transparenz von Lernzielen und Bewertungskriterien [3].

Diese Anforderungen lassen sich anhand drei didaktischer Themenfelder konkretisieren.

Themenfeld 1: Heterogenität diagnostizieren

Für einen konstruktiven Umgang mit Heterogenität in der Lehrpraxis ist Transparenz ein wesentlicher Faktor, denn für alle Beteiligten ist die Kenntnis über die Ausgangslage, Prioritäten, Motive und Anforderungen gleichermaßen bedeutsam. Für Studierende entstehen dadurch die notwendige Orientierung und Anknüpfungspunkte für ihr Lernen. Für Lehrende entsteht mehr Klarheit über die Voraussetzungen in der Gruppe und damit eine lernorientierte Handlungsgrundlage für ihre didaktischen Entscheidungen. Als didaktische Aufgaben stehen hier im Vordergrund, eine Offenheit gegenüber der Studierendengruppe zu entwickeln, die eigene Lehrstrategie zu thematisieren, die Lernvoraussetzungen und Interessen der Studierenden zu identifizieren und in das Lehrkonzept zu integrieren [4].

Themenfeld 2: Feedbackkultur etablieren

Die Basis einer heterogenitätsorientierten Lehrpraxis ist eine dialogische Kommunikation aller Beteiligten, denn darin liegen Potenziale für eine individuelle und wertschätzende Ansprache, für den Lernerfolg wichtige Feedbackgelegenheiten während des Lehr-Lern-Prozesses sowie für eine partizipative Qualitätsentwicklung der Lehre [5]. Davon ausgehend erweitert sich die Rolle Lehrender über die von Fachexpert*innen hinaus. Es kommen Aufgaben in der Rolle als Lernbegleitende und als Mit-Lernende hinzu, wobei Rückmeldeprozesse gleichermaßen relevant für Studierende und Lehrende werden. Als didaktische Aufgaben sind hier hervorzuheben, formative und summative Feedback- und Prüfungselemente in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, Studierende stärker in Rückmeldeprozesse zu involvieren (bspw. mit Formen von Selbstevaluation und Peer-Feedback) und schließlich ein Verständnis von Feedback hin zu einem „Feedforward“ [6] zu etablieren, welches auf den weiteren Lernprozess der Studierenden gerichtet ist.

Themenfeld 3: Gruppendynamik gestalten

Die Kombination unterschiedlicher Sozialformen der Kommunikation und Interaktion, wie Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Plenumsgespräche, virtuelle Foren, o. a., ist ein Schlüssel für heterogenitätsorientiertes Lehren. Insbesondere die Arbeit in Gruppen schafft Räume, in denen sich Aufgabendifferenzierungen realisieren lassen sowie sich Teamfähigkeit und Lernverantwortung aufbauen kann. Indem dabei Unterschiede akzeptiert und als Chance wertgeschätzt werden, kann sich eine kooperative und konfliktfähige Lernatmosphäre in der gesamten Gruppe entfalten. Als didaktische Aufgaben stellen sich hierbei vor allem angeleitetes und selbstorganisiertes Lernen auszubalancieren, ein soziales Klima gegenseitiger Unterstützung zu fördern und Arbeitsaufträge zu kreieren, die Erfahrungen mit verschiedenen Gruppenrollen ermöglichen [7].

Das didaktische Handlungsmuster sollte in den genannten drei Themenfeldern grundsätzlich sein, Lern-angebote zu schaffen, die allen Studierenden zugutekommen und nicht nur gegebenenfalls benachteiligten oder vermeintlich defizitären Gruppierungen [8]. Zudem sind Leitwerte, wie Respekt, Fairness, Wertschätzung, miteinander auszuhandeln und „auf die Normalität von Diversität hinzuarbeiten und sich aktiv einzumischen, wenn Diskriminierung oder Ausgrenzung beobachtet werden“ [9].

 

[1] vgl. Reis 2018, S. 337

[2] Richter 2013, S. 9

[3] vgl. Richter 2013, S. 11

[4] vgl. ebd., S. 9ff.

[5] vgl. Linde/Auferkorte-Michaelis 2017, S. 192

[6] ebd., S. 193

[7] vgl. Richter 2013, S. 12f.

[8] vgl. Linde/Auferkorte-Michaelis 2018b, S. 24

[9] ebd., S. 27

Welche besonderen Kompetenzen brauchen Lehrende, um die Aufgaben in der Lehre heterogenitätsdidaktisch lösen zu können?

Lehrende brauchen Heterogenitätskompetenzen – kurz gesagt: het.kom. Das sind Handlungskompetenzen, die auf die Grundfrage ausgerichtet sind, wie heterogene Gegebenheiten in einem Lehrkontext methodisch-didaktisch so aufgegriffen und genutzt werden können, dass sie als Gestaltungspotential für die eigene Lehre ausgeschöpft werden.

Akademische Lehrkompetenzen bündeln mehrdimensionale Handlungspotentiale zu einer individuellen Ressource, die Lehrende in den komplexen und variablen Situationen ihrer Lehrpraxis einsetzen, um zielorientiert und reproduzierbar sowie selbstreflexiv und verantwortungsvoll didaktische Probleme zu lösen [1]. Lehrkompetenz umfasst demnach mehr als nur Fachwissen an die Studierenden weitergeben zu können [2], denn alle Kompetenzbereiche – Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen – stehen in Wechselwirkung zu einer Vielzahl von Handlungsdimensionen [3].

Die für das akademische Lehren notwendigen heterogenitätsorientierten Handlungspotentiale gründen auf spezifischem Wissen und Können im Umgang mit den individuellen Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnissen der Studierenden in Verbindung mit den Anforderungen und Besonderheiten des Faches. In der Folge bedeutet eine um Heterogenitätsdimensionen erweiterte Professionalität dann, in der Rolle als Lehrende*r – aber auch als Modul- oder Studiengangsverantwortliche*r – bewusst eigene Fähigkeiten und Einstellungen zu stärken und weiterzuentwickeln und diese bei der Planung, Durchführung und Evaluation von Lehre diversitätsgerecht anzuwenden. In dieser Weise würde der Prämisse einer konsequent kompetenzorientierten Lehre mehr und mehr gefolgt werden [4].

Aus dieser heterogenitätsorientierten Perspektive sollen Lehrende schließlich in der Lage sein,

a) bezogen auf ihre Selbstkompetenzen:

  • studien- und lernrelevante Diversität im Lehr-Lern-Setting wahrzunehmen und anzuerkennen (Dimension: Sensibilität für Heterogenität)
  • sich ein der Kompetenzorientierung gemäßes Rollenverständnis bewusst zu machen und dieses in Bezug auf ihr eigenes Lehrhandeln selbstkritisch zu betrachten und anpassen zu können (Dimension: heterogenitätsorientierte Lehrhaltung)

b) bezogen auf ihre Methodenkompetenz:

  • didaktisch-methodische Ansätze in der eigenen Lehre hinsichtlich ihrer Eignung und ihrer Möglichkeiten mit dem Ziel anzuwenden, heterogene Aspekte des Lehr-Lern-Settings zu identifizieren und für Lehr- und Lernprozesse nutzbar zu machen (Dimension: heterogenitätsdidaktisches Instrumentarium)

c) bezogen auf ihre Fachkompetenz:

  • Diversitätsaspekte des eigenen Faches in den Lernzielen und ausgewählten Inhalten berücksichtigen und transparent machen zu können (Dimension: fachspezifische Heterogenität der Lehre)

d) bezogen auf ihre Sozialkompetenz:

  • einen Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden zu etablieren, welcher bestehende Differenzen und Gemeinsamkeiten anerkennt, Teilhabe und wertschätzendes Feedback ermöglicht (Dimension: heterogenitätsorientierte Kommunikation)
  • Gruppenprozesse der Studierenden begleiten und steuern zu können, um eine arbeits- und konfliktfähige Lernatmosphäre zu entfalten und selbstorganisiertes, identitätsstützendes Lernen zu ermöglichen (Dimension: heterogenitätsorientierte Gruppendynamik)

 

[1] vgl. Schaper 2013, S. 13

[2] vgl. auch Trautwein/Merkt 2013, S. 59

[3] vgl. KMK 2017, S. 4; Spelsberg 2013, S. 49

[4] vgl. Hahm 2015, S. 20

Was bietet das Webportal www.sqb-hetkom.de Lehrenden dafür und wie können sie sich darin einbringen?

Das Webportal macht heterogenitätsorientierte Lehrpraktiken verschiedener Fachdisziplinen aus den Brandenburgischen Hochschulen sichtbar und transferfähig für eine fachübergreifende Anwendung und Vernetzung.

Auf dem Webportal finden sich keine Universalrezepte und fertige Lösungen, sondern fachspezifische Ideen für den Umgang mit Heterogenität in konkreten Lehrpraxissituationen. Damit eröffnet sich ein Raum für den offenen Dialog zwischen Lehrenden, Studierenden und Hochschuldidaktiker*innen über Erfahrungen aus diesen Lehrpraxen.

Begreift man Professionalität in der Lehre als „berufsbiografisches Entwicklungsprojekt [1], kann heterogenitätsorientierte Lehre gelernt und so die Lehrpraxis didaktisch fundiert werden. Ein solches „Lernen für die Lehre“ [2] fängt damit an, den Anruf zur Kompetenzorientierung praktisch zu wenden und den Weg zur Entwicklung einer Lehr-Lern-Kultur einzuschlagen, welche essentiell für eine zukunftsfähige Hochschule ist [3]. Mit dem Webportal sqb-het.kom.de stellen wir im Netzwerk Studienqualität Brandenburg (sqb) eine informelle Lern- und Austauschplattform zur Verfügung, die allen an Hochschullehre Beteiligten oder in der Hochschuldidaktik Tätigen eine Möglichkeit bietet, Teil einer Community of Practice für eine heterogenitätsorientierte Lehr-Lern-Kultur in der Hochschule zu werden [4].

Das Webportal sqb-het.kom.de generiert eine Wissensbasis über heterogenitätsorientierte Lehrpraxis aus den Brandenburgischen Hochschulen, indem hier

  • Praxiswissen über Heterogenität aus Lehre und Studium eingebracht wird,
  • konkrete Erfahrungen und Reflexionen aus der Lehrpraxis ausgetauscht werden,
  • bewährte Konzepte für eine heterogenitätsorientierte Lehre in den Transfer gebracht werden, und
  • Impulse für Weiterentwicklungen in der eigenen Lehrpraxis angeboten werden.

Jede*r, die*der an dieser Community teilhat, kann etwas über die darin gebündelte Praxis lernen und die eigenen Lehrkompetenzen daran überprüfen und erweitern. Die Idee einer wachsenden Community of Practice auf dem Webportal sqb-het.kom.de geht davon aus, dass die Entwicklung von heterogenitätsorientierten Lehrkompetenzen vor allem gefördert werden kann durch kollegialen Austausch und Transfer von Lehrideen zwischen Akteuren der Lehre selbst.

In verschiedenen Formaten veröffentlichen Hochschullehrende aus den Brandenburgischen Hochschulen –
Open Access – ihre Lehrkonzepte zum Umgang mit Heterogenität in ihrer Lehre. Das Portal systematisiert die Veröffentlichungen in einer Toolbox Lehrpraxis für die fachbezogene Nutzung und fachübergreifende Anwendung von didaktisch-methodischen Ansätzen und Best Practices der Lehre.

Die Portaleinträge – Videoclips, Konzeptbausteine, Blog-Beiträge und Arbeitshilfen – sind nach vier Fachclustern kategorisiert, sodass eine schnelle Orientierung zu den verschiedenen Fachdisziplinen und Lehrkontexten möglich ist. Die Fachcluster werden ferner herangezogen, um Vergleiche anzustellen, Beobachtungen und Erfahrungen in den verschiedenen Fachkontexten diskutierbar zu machen und Strategien in der Lehre zu modifizieren und transferfähig zu machen [5].

Vor dem Hintergrund der Leitidee einer strukturierten Entwicklung heterogenitätsorientierter Lehrkompetenz sind alle Einträge im Webportal sqb-het.kom.de einem oder mehreren didaktischen Themenfeldern zugeordnet und mittels einer Filtersuchfunktion schnell auffindbar. Hierdurch soll eine strukturierte Auseinandersetzung mit den Veröffentlichungen auf dem Webportal entsprechend verschiedener Schwerpunktsetzungen möglich werden.

Das Netzwerk Studienqualität Brandenburg (sqb) bietet allen Lehrenden und Studierenden aus den Brandenburgischen Hochschulen, die sich zur Leitidee positionieren möchten und darin einen Mehrwert für ihre eigene Lehr- oder Lernpraxis sehen, die Möglichkeit einer Veröffentlichung auf dem Webportal sqb-hetkom.de.

 

[1] Tremp 2009, S. 209

[2] Hiller 2012, S. 5

[3] vgl. Wild/Esdar 2014, S. 74ff.

[4] vgl. auch Wegner 2014 oder Bliss u.a. 2006

[5] vgl. Huber 2011, S. 116

Literatur

Bliss, F.R./Johanning, A./Schicke, H. (2006): Communities of Practice – Ein Zugang zu sozialer Wissensgenerierung. DIE. Online verfügbar unter: https://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2006/bliss06_01.pdf (zuletzt zugegriffen: 23.03.19).

Budde, J. (2012): Problematisierende Perspektiven auf Heterogenität als ambivalentes Thema der Schul- und Unterrichtsforschung. In: Zeitschrift für Pädagogik. Jg. 58, Heft 4, S. 522-540.

Budde, J. (2015): Heterogenitätsorientierung. Zum problematischen Verhältnis von Heterogenität, Differenz und sozialer Ungleichheit im Unterricht. In: Budde, J. u.a. (Hg.): Heterogenitätsforschung. Empirische und theoretische Perspektiven. Weinheim: Beltz, S. 21-38.

Hahm, E. (2015): Diversity-Kompetenz im Bereich der Hochschullehre – Ein zentraler Baustein hochschuldidaktischer Lehrkompetenz. In: Greifswalder Beiträge zur Hochschullehre, Heft 2/2015, S. 6-24.

Hauser, A./ Waldhoff, L. (2017): Heterogenitätsdidaktisches Referenzmodell. Didaktische Modelle und Materialien zur Reflexion, Analyse und Entwicklung der eigenen Lehrpraxis. Arbeitshilfe Nr. 1, Potsdam: Netzwerk Studienqualität Brandenburg. Online verfügbar unter: www.sqb-hetkom.de (zuletzt zugegriffen: 23.03.19).

Hiller, G.G. (2012): Anreize zur Etablierung einer neuen Lehr-Lernkultur an Hochschulen. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung. Jg. 7, Nr. 3, S. 1-15.

Huber, L. (2011): Fachkulturen und Hochschuldidaktik. In: Weil, M. u. a. (Hg.): Aktionsfelder der Hochschuldidaktik. Von der Weiterbildung zum Diskurs.Münster/New York: Waxmann, S. 109-127.

KMK (2017): Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse. Beschluss der Kultusministerkonferenz am 16.02.2017. Online verfügbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_02_16-Qualifikationsrahmen.pdf (zuletzt zugegriffen: 23.03.2019).

Jankow, H./Baldauf-Bergmann, K. (2019): Hochschuldidaktische Angebote für eine diversitäts-sensible Lehre im Kontext der Öffnung der Hochschulen. In: Kergel, D./Heidkamp, B. (Hg.): Praxishandbuch Habitus- und diversitätssensible Lehre. Hamburg: Axel-Springer-Verlag, S. 695–751.

Kerres, M. u. a. (2012): Implikationen einer konsequenten Öffnung der Hochschule für lebenslanges Lernen – eine Schlussbetrachtung. In: Kerres, M. u. a. (Hg.): Studium 2020. Positionen und Perspektiven zum lebenslangen Lernen an Hochschulen. Münster/New York: Waxmann, S. 285-290.

Linde, F./Auferkorte-Michaelis, N. (2017): Diversitätsgerecht Lehren und Lernen. In: Hansen, K. (Hg.): CSR und Diversity Management. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Berlin/Heidelberg: Springer, S. 177-217.

Linde, F./Auferkorte-Michaelis, N. (2018a): Entwicklung von Diversity-Kompetenz. In: Auferkorte-Michaelis, N./Linde, F. (Hg.): Diversität lehren und lernen – ein Hochschulbuch. Opladen: Barbara Budrich Verlag, S. 303-312.

Linde, F./Auferkorte-Michaelis, N. (2018b): Diversität im Lehr-Lern-Geschehen. In: Auferkorte-Michaelis, N./Linde, F. (Hg.): Diversität lehren und lernen – ein Hochschulbuch. Opladen: Barbara Budrich Verlag, S. 17-30.

Reis, O. (2018): Diversität in der Hochschule ist mehr als Integration. In: Auferkorte-Michaelis, N./Linde, F. (Hg.) Diversität lehren und lernen – ein Hochschulbuch. Opladen: Barbara Budrich Verlag, S. 313-340.

Richter, R. (2013): Vielfalt als Chance. Konstruktiver Umgang mit Heterogenität in Lehrveranstaltungen. In: Baatz, C. u.a. (Hg.): Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik. Band 9/2, 2. Aufl., Tübingen. Online verfügbar unter: http://hdl.handle.net/10900/43958 (zuletzt zugegriffen: 23.03.2019).

Schaper, N./Hilkenmeier, F. (2013): Umsetzungshilfen für kompetenzorientiertes Prüfen. HRK-Zusatzgutachten, Projekt Nexus.

Spelsberg, K. (2013): Diversität als Leitmotiv. Handlungsempfehlungen für eine diversitäts- und kompetenzorientierte Didaktik. Eine explorative Studie im Kontext einer Kunst- und Musikhochschule. Münster u.a.: Waxmann-Verlag.

Trautwein, C./Merkt, M. (2013): Akademische Lehrkompetenz und Entwicklungsprozesse Lehrender. In: Beiträge zur Hochschulforschung. Jg. 35, Heft 3, S. 50-77.

Wegner, E. (2014): Hochschulen als Communities of Practice – theoretische Perspektiven und praktische Umsetzung. In: Neues Handbuch für Hochschullehre, J.3.11, S. 117-134.

Wenning, N. (2004): Heterogenität als neue Leitidee der Erziehungswissenschaft? Zur Berücksichtigung von Gleichheit und Verschiedenheit. In: Zeitschrift für Pädagogik. Jg. 50, Heft 4, S. 565-582.

Wild, Wild E./Esdar W. (2014): Eine heterogenitätsorientierte Lehr-/Lernkultur für eine Hochschule der Zukunft – Fachgutachten im Auftrag des Projekts nexus der Hochschulrektorenkonferenz. Online verfügbar: https://www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/Fachgutachten_Heterogenitaet.pdf (zuletzt zugegriffen 26.10.2018).

Wildt, J. (2002): Vom Lehren zum Lernen. Zum Wandel der Lernkultur in modularisierten Strukturen. In: Neues Handbuch Hochschullehre. A 3.1.

Quellenangabe

Hauser, A. (2018): FAQ – Heterogenitätsorientierung als Leitidee für die Entwicklung der Lehrpraxis in der Hochschule. het.blog – Perspektiven auf das Thema Heterogenität in Lehre und Studium, Blog-Beitrag Nr. 3, Potsdam: Netzwerk Studienqualität Brandenburg. (Online verfügbar unter: www.sqb-hetkom.de)

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Den vollständigen Blog-Beitrag finden Sie hier zum Download:

Blog-Beitrag Nr. 3 (PDF)

 

 

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