Warum lehre ich, wie ich lehre?
Mit diesem Beitrag stellen wir Ihnen ein Instrument zur systematischen Reflexion und Verschriftlichung Ihrer Lehrphilosophie zur Verfügung. Anhand eines strukturierten Fragenkataloges können Sie sich mit Ihren grundlegenden Auffassungen, Überzeugungen und Wertvorstellungen auseinandersetzen, die Ihrer Rolle und Tätigkeit als Lehrperson und Fachwissenschaftler*in zugrunde liegen und Ihre Lehrpraxis orientieren. Dadurch stärken Sie Ihre persönlichen Ressourcen für kompetentes Lehrhandeln.
Was hat die Lehrphilosophie mit Heterogenitätsorientierung in der Lehre zu tun?
Im Lehralltag stehen Sie vor der Herausforderung, für unterschiedliche Lehrveranstaltungen und ständig wechselnde Studierendengruppen die passende pädagogische Handlungsstrategie auszuwählen und umzusetzen [1]. Ein didaktisches Modell zum Umgang mit solch spezifischen Situationen Ihrer Lehrpraxis haben wir in der Arbeitshilfe Nr. 1 beschrieben [2]. Daraus leiten sich für die Lehrgestaltung im Sinne einer Heterogenitäts- und Kompetenzorientierung [3] eine Reihe von Anforderungen ab, insbesondere
- die heterogenen Voraussetzungen und lernrelevanten Bedingungen Ihrer Studierenden zu diagnostizieren und anzuerkennen, um diese mit den Besonderheiten des Faches und den verschiedenen, teils divergierenden Kompetenzzielen in Relation zu bringen,
- eine produktive Lehr-Lern-Beziehung zu Ihren Studierenden aufzubauen, die sich durch eine dialogische Feedbackkultur auszeichnet,
- die Gruppendynamik und Arbeitsatmosphäre innerhalb Ihrer Studierendengruppe im Fokus zu behalten und Methoden zugleich diversitätssensibel und lernzielorientiert einzusetzen, um das kollaborative Lernen der Studierenden zu fördern.
Eine nicht zu vernachlässigende Gelingensbedingung für die Bewältigung dieser komplexen Aufgabe ist, dass Sie die Annahmen und Prämissen, die Ihrer Lehrgestaltung zugrunde liegen, reflektieren und kommunizieren können. Diese – Ihre ganz persönliche – Lehrphilosophie beeinflusst maßgeblich, wie Sie Lehr-Lern-Situationen wahrnehmen, bewerten und verändern können [4].
Reflektieren Sie Ihre persönliche Lehrphilosophie fragengeleitet. Öffnen Sie dafür die nachfolgenden Aufklapp-Menüs zu thematisch geordneten Fragenkomplexen und finden Sie Ihre ganz eigenen Antworten darauf.
Fragenkatalog zur Lehrphilosophie
- Meine Koordinaten zu Lehre und Forschung
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- Was ist mein Lehrgebiet? Welches Profil und welche Spezifika hat mein Arbeitsbereich an der Hochschule? In welchem kollegialen Umfeld bin ich tätig?
- Welche Aufgaben und Funktionen habe ich in Lehre und Forschung? In welchem Verhältnis stehen meine Forschungs- und Lehraufgaben zueinander?
- Was waren markante Stationen auf meinem beruflichen Weg in die Wissenschaft und Hochschule?
- Mein Fachverständnis
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- Welcher Fachwissenschaft fühle ich mich zugehörig? Was ist das Faszinierende oder für mich Wichtige an meinem Fach?
- Was zeichnet mich als Fachwissenschaftler*in aus?
- Welche Besonderheiten bringt mein Fach mit sich – was davon muss ich in der Lehre berücksichtigen? Und wie stehe ich persönlich dazu – was möchte ich gerne vermitteln?
- Meine persönlichen Motivationen und Erfahrungshintergründe
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- Warum lehre ich überhaupt an der Hochschule und welchen Stellenwert hat die Lehre für mich?
- Welche Lehr- und Lernerfahrungen bringe ich mit, die ich für meine Lehraufgaben einsetzen kann?
- Welchen Anspruch stelle ich selbst daran, meine Wissenschaft zu lehren? Was sollen die Studierenden aus meiner Lehre mitnehmen? Welche Werte möchte ich vermitteln?
- Mein Rollenverständnis als Lehrperson
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- Wie verstehe ich meine Rolle als Lehrende*r gegenüber meinen Studierenden? Was ist meine Verantwortung als Lehrperson?
- Wie verstehe ich die Rolle der Studierenden? Welche Aufgaben sehe ich auf Seiten der Studierenden? Was erwarte ich von meinen Studierenden?
- Meine Vorstellungen von Lehren und Lernen
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- Welche eigenen Erfahrungen habe ich mit Lehren und Lernen gemacht und inwieweit beeinflusst das meine Wertvorstellungen, die ich in der Lehre vertrete? Wie habe ich selbst mein Fach gelernt?
- Welche grundlegenden Annahmen habe ich darüber, wie Lehre gut gelingen kann?
- Was verstehe ich unter Lernen und wie ermögliche ich es in meinen Lehrveranstaltungen? Oder anders gefragt: Wie stelle ich mir idealerweise vor, wie die Studierenden am besten lernen können? Welchen Beitrag kann ich dafür als Lehrperson leisten?
- Meine Leitsätze zur Lehrgestaltung
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- Was ist mein pädagogisches Grundgerüst für gute Lehre? Welche didaktischen Modelle und Lehr-Lern-Ansätze setze ich bewusst ein, um kompetenzorientierte Lehre in meinem Fach zu realisieren?
- Was sind in meinem Repertoire an didaktischen Methoden meine Best Practices?
Reflexion der persönlichen Lehrphilosophie als Erweiterung der eigenen Lehrkompetenzen
Ihre Lehrphilosophie ist eine Summe aus Annahmen und Prämissen, die Sie ganz persönlich zu Ihrer Rolle als Lehrende*r, zu Ihren Studierenden und zum Lehren und Lernen im Hochschulkontext allgemein und in Ihrem Fach im Besonderen haben [5]. Diese Annahmen liegen teilweise unbewusst vor oder sind durch Ihre eigene Erfahrung als Schüler*in und Student*in geprägt [6].
Indem Sie über Ihr Lehrhandeln nachdenken und sich bewusster darüber werden, aus welchen Überzeugungen heraus Sie auf bestimmte Art und Weise handeln, erschließen Sie sich neue Handlungsspielräume für die vielfältigen, teils auch herausfordernden, Situationen Ihres Lehralltages. Die Bewusstwerdung und Verschriftlichung Ihrer Lehrphilosophie leistet dabei einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung Ihrer Lehrkompetenz, verstanden als Zusammenspiel der vier Dimensionen Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz [7].
In einem anspruchsvollen Reflexionsprozess, bei dem Sie sich Ihre handlungsleitenden Überzeugungen systematisch vergegenwärtigen, arbeiten Sie vor allem an Ihrer lehrbezogenen Selbst- und Sozialkompetenz und stärken dabei Ihre Handlungsfähigkeit in drei wesentlichen Bereichen Ihrer Lehrpraxis:
1. Handlungssicherheit in der eigenen Lehre (Dimension Selbstkompetenz in der Lehre)
Wiederkehrend haben Sie mit veränderten Lernumgebungen zu tun – so beispielsweise bei der Lehrgestaltung im digitalen Raum. Indem Sie sich die Annahmen und Prämissen Ihres Lehrhandelns in einem selbstreflexiven Schreibprozess vergegenwärtigen, können Sie auch in herausfordernden Lehr-Lern-Situationen bewusst darauf zurückgreifen. So stärken Sie Ihre persönlichen Ressourcen, um neuen Anforderungen wie der Digitalisierung der Lehre konstruktiv zu begegnen und didaktische Lösungsansätze in Ihre bestehende Lehrpraxis wirksamer zu integrieren.
2. Stärkung der Lehr-Lern-Beziehung zu Ihren Studierenden (Dimension Sozialkompetenz in der Lehre)
Durch die Auseinandersetzung mit Ihrer Lehrphilosophie werden Sie begründungsfähiger hinsichtlich Ihres eigenen Lehrhandelns und schaffen damit die Basis für eine gelingende Lehr-Lern-Kommunikation. Dies ist vor allem auch bei der Online-Lehre wesentlich, da hier die direkte Ansprache der Studierenden erschwert ist und gleichzeitig deren unvermittelte Rückmeldung zur Lehrgestaltung durch nonverbale Reaktionen fehlt. Indem Sie Ihr methodisches Vorgehen für die Studierenden transparent machen und begründen, schaffen Sie die Grundlage für einen wechselseitigen Austausch über Lehren und Lernen, bei dem Sie studentisches Feedback zur Verbesserung Ihrer Lehrveranstaltung konstruktiv aufgreifen können.
3. Professionelle Haltung zur eigenen Lehre (Dimension Selbstkompetenz in der Lehre)
Sie können Änderungen Ihres Lehrangebotes, bspw. im digitalen Setting, gegenüber Kolleg*innen oder Vorgesetzten im Fachbereich oder in Gremien nicht nur fachlich, sondern auch didaktisch überzeugend vertreten. Zudem weisen Sie durch die Verschriftlichung Ihrer Lehrphilosophie eine professionelle Sprachfähigkeit über Ihr individuelles Lehrprofil nach, die Sie nicht zuletzt als persönliche Ressource in Bewerbungsprozessen einsetzen können [8].
[1] Vgl. Trautwein, C./Merkt, M. (2012): Zur Lehre befähigt? Akademische Lehrkompetenz darstellen und einschätzen. In: Egger, R./Merkt, M. (Hg.): Lernwelt Universität. Entwicklung von Lehrkompetenz in der Hochschullehre. Lernweltforschung Band 9. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 94.
[2] Vgl. Hauser, A./Waldhoff, L. (2017): Heterogenitätsdidaktisches Referenzmodell. Didaktische Modelle und Materialien zur Reflexion, Analyse und Entwicklung der eigenen Lehrpraxis. Arbeitshilfe Nr. 1, Potsdam: Netzwerk Studienqualität Brandenburg. (Online verfügbar unter: www.sqb-hetkom.de)
[3] Hauser, A. (2018): FAQ – Heterogenitätsorientierung als Leitidee für die Entwicklung der Lehrpraxis in der Hochschule. het.blog – Perspektiven auf das Thema Heterogenität in Lehre und Studium, Blog-Beitrag Nr. 3, Potsdam: Netzwerk Studienqualität Brandenburg. (Online verfügbar unter: www.sqb-hetkom.de)
[4] Vgl. Futter, K. (2009): Das Lehrportfolio als Dokumentationsmöglichkeit und Qualitätsnachweis in Hochschulen. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 27, S. 76.
[5] Vgl. Trautwein, C./Merkt, M./Heyer, J. (2012): Leitfragen zur Einschätzung der Qualität von Lehrportfolios. In: Berk, I. van den/Merkt, M.: ZHW–Almanach. Einzelbeitrag Nr. 2012/2, S. 2.
[6] Vgl. u. a. Kiehne, B. (2015): Die Biografie lehrt mit. Eine qualitative Untersuchung zum Zusammenhang von Lernbiografie und Lehrüberzeugung bei Nachwuchslehrenden. Münster: Waxmann, S. 228 ff.
[7] Vgl. Hahm, E. (2015): Diversity-Kompetenz im Bereich der Hochschullehre – Ein zentraler Baustein hochschuldidaktischer Lehrkompetenz. In: Rektorin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (Hg.): Greifswalder Beiträge zur Hochschullehre. Vermittlung von Schlüsselkompetenzen in der polyvalenten Lehre. Greifswald, S. 19f.
[8] Vgl. Futter, K. (2009): Das Lehrportfolio als Dokumentationsmöglichkeit und Qualitätsnachweis in Hochschulen. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 27, S. 74-80.
Quellenangabe
Hauser, A.; Waldhoff, L. (2021): Fragenkatalog zur Selbstreflexion der Lehrphilosophie. Didaktische Modelle und Materialien zur Reflexion, Analyse und Entwicklung der eigenen Lehrpraxis. Arbeitshilfe Nr. 3, Potsdam: Netzwerk Studienqualität Brandenburg. (Online verfügbar unter: www.sqb-hetkom.de)
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